Schon im Voraus wurden wir mit Challenges der Lagerleitung auf Trab gehalten. An einem ungewöhnlichen Ort übernachten, ein „Red Dinner“ veranstalten, passend zum Bayernlager eine Gruppenstunde in Lederhose oder Dirndl abhalten oder mit einem Rollstuhl die Umgebung auf Barrierefreiheit testen. Wie mit einem Adventskalender wurde uns damit die Wartezeit verkürzt, bis zu dem langersehnten Tag der Abfahrt.
Als wir in Rothmannstal ankommen, sind wir die ersten aus unserem Dorf. Ein Dorf, das sind immer ca. 60 Leute und aus drei oder vier verschiedenen Stämmen, die sich untereinander organisieren. So werden auch Dorfvertreter gewählt, die unsere Anliegen in einer Lagerversammlung vorbringen und es gibt einen Dorfpaten. Also bauen wir unser Zelt auf und so langsam trudeln auch unsere Mitdörfler ein.
Abends werden dann die Gewinner der Challenges bekanntgegeben. Und so wird ein Dorf mit einem Swimming Pool ausgestattet, andere hatten bereits schon vorher einen Aufbauhelfer oder eine Gruppe erhält Bändchen, mit denen sie das ultimative Recht zum Vordrängeln bei den Getränken erhalten. Und dann beginnt die Party… Laute Musik, gute Stimmung, Nebelmaschinen und Diskolicht im Cafe Latte. Hier zeigen sich auch das erste Mal die Vorzüge, den allerhintersten Zeltplatz zu haben, so ist es nur noch ein Wummern, das bis in die frühen Morgenstunden herüberdringt, und das selbstgebaute Drehkreuz unseres Nachbardorfes ist eine zusätzliche Herausforderung für Betrunkene.
Am nächsten Morgen (wobei der Begriff „Morgen“ doch sehr dehnbar ist…, sagen wir „Morgen“ im Sinne eines Rovers) entdecken wir einen neuen Auftrag an unserem schwarzen Brett. Das Dorf soll verschönert werden! Zur Verfügung stehen Baumstämme und Paletten, Farbe, Seile und Bettlaken. Daraufhin werden wir kreativ. Es entsteht ein Bannermast und ein Dreibein, an dem unsere Hängematten aufgehängt werden können. Außerdem braucht es noch einen Namen für unser Dorf, außerdem eine Dorfhymne und einen Dorfmove zur Begrüßung. Abgestimmt wird für den Namen „Lazytown“, wozu gleich das passende Banner gemalt wird.
Auch ein Spaziergang durch die anderen Dörfer lohnt sich. Die einen bauen sich ihren eigenen Pool, andere haben, typisch bayrisch, einen Maibaum. Es gibt bunte Zäune, Schaukeln, Briefkästen und Bänke.
Die nächsten Tage stehen Challenges an, für die man auch Punkte sammeln kann. Wenn man gerade auf etwas Lust hat sucht man sich einfach zwei, drei Leute aus seinem Dorf und geht zu der Station. Da gibt es Feuermachen mit den absurdesten Hilfsmitteln, Kohte aufstellen mit Handycap, Überläufer- ein kniffliges Gruppenspiel oder auch die Aufgabe, berühmte Filmzitate bayrisch zu interpretieren. Bei den FAK-Jurten gibt es nicht nur Bananenshakes und Kaffee, sondern auch Aufgaben, wie ein Zeltplatzcheck, bei dem man blind, taub oder mit Rollstuhl eine Aufgabe gestellt bekommt und dabei am eigenen Leib erfährt, wie schwierig es ist, mit so einer Behinderung umzugehen. Auch Menschen in einem Bananenkostüm, die plötzlich über den Zeltplatz laufen, haben mit den Challenges der FAK-Jurte zu tun. Sie drehen ein Video zu Fairtrade.
Nachdem man zwei Tage lang Punkte durch die Challenges gesammelt hat, kann man sie dann gegen Belohnungen am Entspannungstag einlösen. Wir bekommen eine Marshmallow-Pinata und ein hart umkämpftes W-Lan-Passwort. Entspannt in der Hängematte liegend, mit mal einem Kartenspiel dazwischen vergeht der Tag im nu. Und bei einer großen Runde Wizard, einem gemeinsamen Bier am Abend oder einer zusammen absolvierten Challenge lernt man natürlich auch seine Mitbewohner im Dorf kennen.
Am Mittwochmorgen werden wir von einer Blaskapelle geweckt, die sich zwischen den Zelten durchschlängelt und einen auffordert, ihnen zu folgen. Wir hängen uns also an die Schlange an, die immer und immer länger wird. Denn heute ist ein besonderer Tag- es ist Kärwa! Und der wird zünftig begangen mit einem Weißwurstfrühstück. Dann kann man beobachten wie der Maibaum aufgestellt wird und so langsam öffnen dann auch die Buden. Es gibt Dosenwerfen, und eine Losbude, bei der als Hauptgewinn ein Pocketbike winkt oder einen Stand, bei dem man Lebkuchenherzen selbst mit Zuckerguss verzieren kann. Zuckerwatte bekommt man kostenlos, und die dient auch als „Kraftstoff“, für eine Riesenradfahrt. Denn es gibt ein selbstgebautes, hölzernes Riesenrad, das von vier Männern angeschubst werden muss, die sich als „Motoren“ bezeichnen. Und die brauchen eben Kraftstoff, damit man sich auf einen Platz im Riesenrad setzen darf. Und dann geht es rasant zu. Durch die Gewichtsunterschiede ist die Fahrt für einen Moment langsam, und dann abrupt wieder sehr schnell. Zugegeben, besonders riesig ist das Riesenrad nicht, aber ein Riesenspaß!
Radio und Fernsehen sind auch zu Besuch auf unserem Lager. Doch wir haben unsere eigene Informationsquelle: Die allseits beliebte Lagerzeitung. Jeden zweiten Tag versorgt sie uns mit Lagergeflüster, Fotostorys und sinnfreien Tipps.
Am Samstag gibt es dann Workshops, zu denen man sich eintragen kann. Besonders schnell weg sind die Plätze fürs Feuerspucken, die man dann später beobachten kann, wie sie erst mit Wasser üben, später aber tatsächlich Feuerbälle hervorbringen. Außerdem gibt es einen Gitarrenlernkurs für Anfänger und verschiedene Wanderungen. Wir sind bei einer Wanderung, bei der die eine Gruppe Wegzeichen legt und die andere ihnen folgen muss.
Nicht vergessen werden darf die Spirigruppe, die es geschafft hat, ihr Programm mit „Schärfegraden“ so einzuteilen, dass für jeden etwas dabei ist. So gibt es Filmabende mit „Life of Brian“ und Popcorn, oder auch eine kleine Meditation unter dem Sternenhimmel.
Und irgendwann ist dann tatsächlich der letzte Abend gekommen. Dafür gibt es nochmal ein riesiges Lagerfeuer, um das wir im Steinkreis herumsitzen. Einige Dörfer haben sich zum Bunten Abend Programm ausgedacht und es wird ein gemütlicher Abend. Man denkt nochmal zurück an das, was man in der Woche erlebt hat. Und außerdem feiern wir in den nächsten Tag hinein, denn Flo aus unserem Stamm hat Geburtstag. Und so bricht der Tag der Abfahrt an, an dem wir noch bis 3 Uhr am Lagerfeuer sitzen.
Auf dem Platz herrscht eifriges Gewusel. Zelte werden abgebaut, das Gepäck muss auf die große Wiese geschleppt werden. Und plötzlich ist der Platz völlig leer und still. Es wirkt seltsam, über den Platz zu gehen, wo noch die hellen Flecken im Gras an die Zelte erinnern, die hier standen, und an die ganze vergangene Woche.
Und dann geht es mit dem Bus wieder nach Hause. Zurück in Nürnberg wird man plötzlich wieder angestarrt, so noch in Kluft und mit großem Rucksack, was die letzten Tage Alltag war. Ich freue mich, wieder zurück zu sein, doch ich werde diese Zeit nie vergessen.
Vielen Dank für die tolle Zeit, die wir auf diesem Lager erleben durften! Danke an alle die das möglich gemacht haben!
Autorin: Antonia Killmann